Das am Züricher Heimplatz gelegene Kunsthaus ist das größte Museum der Schweiz. Es teilt sich in vier Bereiche, die allesamt als Ausstellungsflächen genutzt werden. Neben Dauerpräsentationen mit Exponaten der hauseigenen Sammlung, veranstaltet das Kunsthaus wechselnde Ausstellungen, die sich unterschiedlichen Themen und Kunstschaffenden widmen. Aktuell wird unter anderem dem Werk Johann Heinrich Füsslis nachgespürt.
Frauen im Zentrum
Unter dem Titel “Füssli: Mode-Fetisch-Fantasie” zeigt das Kunsthaus seit dem 24. Februar Ausgestaltungen des im Jahr 1741 in Zürich zur Welt gekommenen Malers und Zeichners. Rund 50 Studien verweisen auf Johann Heinrich Füsslis Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Frauendarstellung. Obgleich zu jener Zeit weit von aktueller Gleichstellung entfernt, inszeniert Füssli die abgebildeten Frauen als erstarkte, selbstbewusste wie losgelöste Individuen. Deren Position ist stets exklusiv. Sie duldet keine zweite Person innerhalb der Kadrierung – nicht mal einen Mann. Hier sind dominante Damen zu sehen, die sich trotz bisweilen entblößter Pose ihrer nicht-vulnerablen Wirkung bewusst sind. Etwas Amazonen-gleiches haftet Füsslis Frauen an, die ihrer Zeit weit voraus zu sein scheinen. Das Wort Emanzipation imaginierend, lässt sich der progressive Geist der Frauen anhand ausgeklügelter Modekreationen erahnen. Neben körperbetonten Arrangements fällt der ungewöhnliche Kopfschmuck ins Auge. Er wirkt wie ein Krone, eine aufsitzende Bestätigung femininer Macht. Der Übergang zum Fetisch-ähnlichen Objekt verläuft fließend. Die Ausstellung ist bis zum 21. Mai zugänglich.
Europa und der Islam
Eine weitere, bereits laufende Ausstellung, verschränkt die Bereiche Geografie, Kultur und gegenseitigen Dialog. Es handelt sich um die Werkschau “Re-Orientations”, die seit dem 24. März das Züricher Kunsthaus bereichert. Noch bis zum 16. Juli 2023 lässt sich die Auseinandersetzung europäischer Künstler und Künstlerinen mit dem Schaffen des Islam verfolgen. Entsprechend ist “Re-Orientations” mit dem Untertitel “Europa und die islamischen Künste” versehen. Zu entdecken gibt es Darlegungen, welche die Zeitspanne zwischen 1851 und heute umfassen. Begriffen wird der Islam ausdrücklich als Teil europäischer Kultur, keineswegs als gesonderter Sektor. Als Beleg gegenseitiger Befruchtung fungieren rund 200 ausgesuchte Werke. Sie reflektieren unter anderem den andauernden Diskurs zum Islam. Ihnen gegenüber stehen historische Arbeiten, die Bezug zu westlichen Strömungen nehmen. Resultat ist ein wechselseitiger Dialog, der die Sprache der Kunst spricht. “Verbalisiert” wird sie von namhaften Interpretatoren wie Wassily Kandinsky, Paul Klee, Lotte Reiniger, Gabriele Münter, Osman Hamdi und Gülsün Karamustafa. Das Ausstellungskonglomerat vereint Gemälde, Fotos, Zeichnungen, Objekte, Textilien, Videos und Installationen.
Zwei Künstler, ein Gedanke
Um “Traumgärten” geht es ab dem 14. April 2023. Gemeint ist die künstlerische Verwandtschaft zwischen Alberto Giacometti und Salvador Dali. Der Schweizer und der Spanier waren Brüder im Geiste, entwarf man doch mit Vorliebe surreale Landschaften. In ihnen durfte geträumt und entrückt werden, sie waren eskapistische Orte des freigeistigen Schaffens. Selbiges besaß bei Alberto Giacometti bildhauerisches, bei Salvador Dali malerisches Antlitz. Dennoch verstanden sich Beide blendend, als sie erstmals 1930 in Paris aufeinander trafen. Kein Wunder, waren doch Giacometti und Dali gleichermaßen davon überzeugt, dass ein Objekt stets eine symbolische Funktion besitzen sollte. Demzufolge steht ein Gegenstand niemals nur für sich selbst, sondern immer auch für etwas anderes, das über die eigene Form hinausweist. Als Beleg fungieren sowohl Giacomettis wie Dalis Arbeitsnachweise, deren geistige Verwandtschaft offensichtlich ist. Belege des kongenialen Wirkens können bis zum 2. Juli im Züricher Kunsthaus in Augenschein genommen werden. Darunter eine originalgetreue Rekonstruktion von Giacomettis surrealem Ortsentwurf “Projet pour un place” aus dem Jahr 1933. Den publizierten Gegenständen sind Objekte aus der internen Giacometti-Sammlung hinzugefügt, was die Konzeption zu einem doppelten Ereignis macht.
Wieso ins Museum?
Dem Belgier Marcel Broodthaers ist die Ausstellung “Museum” gewidmet. Sie startet am 30. Juni und endet am 1. Oktober 2023. Broodthaers ist ein Spätberufener, der sich erst im Alter von 40 Jahren der bildenden Kunst zuwandte. In seinen verbleibenden zwölf Lebensjahren spürte Marcel Broodthaers dem Phänomen Museum nach. Dabei gelangen ihm kritische Ansätze zu einer ansonsten wenig thematisierten Institution. Zuvorderst spürt Broodthaers der Frage nach der musealen Funktion nach, erkundet er doch wiederholt den Museumsbetrieb, setzt sich mit Kunsttheorien auseinander und wirft Streiflichter auf den Kunstmarkt und dessen Abläufe. Übergeordnetes Paradigma: Was macht eine artifizielle Idee zu allgemein anerkannter Kunst, und wieso muss selbige zwangsläufig in einem Museum präsentiert werden? Als Gegenentwurf zu gängigen Modellen eröffnete Marcel Broodthaers 1968 sein eigenes “Museum für moderne Kunst” – in seiner Brüsseler Wohnung.
Ein Exkurs über die Zeit
Dem Belgier Marcel Broodthaers ist die Ausstellung “Museum” gewidmet. Sie startet am 30. Juni und endet am 1. Oktober 2023. Broodthaers ist ein Spätberufener, der sich erst im Alter von 40 Jahren der bildenden Kunst zuwandte. In seinen verbleibenden zwölf Lebensjahren spürte Marcel Broodthaers dem Phänomen Museum nach. Dabei gelangen ihm kritische Ansätze zu einer ansonsten wenig thematisierten Institution. Zuvorderst spürt Broodthaers der Frage nach der musealen Funktion nach, erkundet er doch wiederholt den Museumsbetrieb, setzt sich mit Kunsttheorien auseinander und wirft Streiflichter auf den Kunstmarkt und dessen Abläufe. Übergeordnetes Paradigma: Was macht eine artifizielle Idee zu allgemein anerkannter Kunst, und wieso muss selbige zwangsläufig in einem Museum präsentiert werden? Als Gegenentwurf zu gängigen Modellen eröffnete Marcel Broodthaers 1968 sein eigenes “Museum für moderne Kunst” – in seiner Brüsseler Wohnung.